Donnerstag, 4. August 2016



Märchen 2.1 von Momo und Elfe
Froschkönig oder wie ich vergeblich küsste
 


     Nun, wenn man eine verwöhnte, bildhübsche Prinzessin ist, sucht man doch nach dem perfekten Prinzen, der angeblich verwunschen als Frosch zwischen uns weilt – zumindest wenn Fräulein an Märchen glaubt. Frauli hat zwar irgendwann einmal gemeint, ich müsste mindestens hundert oder noch mehr dieser krabbelnden Gattung küssen, bevor ein Adeliger in meinen Armen, pardon zwischen meinen Pfoten, landen würde, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
     Also habe ich gebellt, geheult, gegraben – nichts. Kein Laubfrosch, Grasfrosch oder Wasserfrosch, keine einzige Amphibie, die ich mit meiner Schnauze hätte berühren können, um die Gebrüder Grimm nicht der Lüge überführen zu müssen. Es war zum Verzweifeln!
Knapp bevor ich mich dem Suff, nein, korrekter – dem Fressen ergeben habe, erblickte ich endlich den Mann meiner Träume.
     Ich scharrte in den Startlöchern, umschnupperte ihn und bebellte ihn mit meinen schönsten Koloraturen, um die mich jede Operndiva beneidet hätte. Ich warf mich auf den Boden vor ihm, regelrecht in den Staub und hechelte nach seiner Gunst. Ich küsste ihn schließlich wie wild in meiner Sehnsucht.
     Aber kein einziger Laut entkam seinen Lippen. Erbarmungslos strafte er mich mit Nichtachtung, wendete mir seine Rückseite zu, als ob er mich dazu einladen würde, auf ihr hinunterzurutschen.
     Verzweifelt verkroch ich mich in Zweibeiners Umarmung, überhörte geflissentlich das gemurmelte ‚du dummes Hundsi‘ und tröstete mich. NEIN: nicht mit Schwarzwälder-Kirsch, Baiser, Banane und bitte mit Sahne, sondern mit Fleischstreifen und Kaustangerl. Wenigstens Essen hält Leib und Seele zusammen.
     Oder habe ich irgendwo in der Geschichte einen Fehler gemacht? Weil ‚ER‘ bloß eine Kröte war? Keine goldene Kugel als Ball in den Brunnen fiel? Tja, woher nehmen und nicht stehlen, wenn es bloß Hartgummi-Spielbälle und ein Biotop in dem Haus hier gibt. Seufz und heul hhuuuhh …
 



Ich bin klüger, ich spiele Dornröschen


     Nun, meine bellende Hausgenossin verzehrt sich nach einem Mann von höherem Stand. Das habe ich nicht nötig. So viel Such-Aufwand ist doch zu anstrengend. Ich lasse die Kerle zu mir kommen, denn wäre ja noch schöner, wenn ich ihnen nachlaufen müsste. Das würde die doch glatt eine Stufe präpotenter machen und sie ihre Schnauze in ungeahnte Höhen recken lassen. Nicht mit mir.
     Ich döse und schlafe, was ich am liebsten und mit Ausdauer bewerkstellige. Umgeben von herrlichen Blütenkaskaden träume ich als Dornröschen von meinem Prinzen. Er steigt von seinem Schimmel und kommt federnden Schrittes auf mich zu, senkt sein bildhübsches Antlitz über meinen Kopf und küsst mich mit zärtlicher Inbrunst auf meine Lippen.
     „Momo, Fressen gibt’s, komm schon, schlaf nicht ein“, klingt es aus Rudelführers Mund, als ich aus meinem Traum erwache und verwundert um mich sehe.
     Nun, ich will ja nichts sagen, aber mein geduldiges Herrli, das ich mit Pfotengeben, einem schmachtvollen Blick aus dunklen Augen oder einem nachdrücklichen Auf-den-Rist-Setzen mit meinem Fell-Popo vollendet um den Finger wickeln kann, ist allemal besser, als ein blasiertes Märchengebilde mit womöglich machomäßigen Allüren. 




Und was ist die Lehr aus der Geschicht: vergesst uns zwei Prinzessinnen nicht!